Steckbrief zum FFH-Gebiet
5914-303 - Rheinniederung Mainz-Bingen Karte
Größe[ha]:
1.149
Landkreise und kreisfreie Städte:
Mainz-Bingen
Verbandsgemeinden und verbandsfreie Gemeinden:
Bingen am Rhein, Budenheim, Heidesheim am Rhein, Ingelheim am Rhein, Rhein-Nahe
Gebietsbeschreibung:
Der nördliche Oberrhein zwischen Mainz und Bingen wird als Inselrhein bezeichnet. Der Rhein war als wichtige Schifffahrtsstraße weitreichenden Veränderungen der Flussmorhologie und damit verbunden der natürlichen Fließgewässerdynamik und dem Verlust zusammenhängender Auenbiotopkomplexe unterworfen. Dadurch kam es zu einer starken Veränderung der charakteristischen Arten- und Biotopvielfalt des Wasserkörpers und der Auen. In der Ingelheim-Mainzer Rheinebene finden noch natürliche Abtragungs- und Sedimentationsprozesse statt. Der Rhein erfährt hier vor seinem Eintritt ins Rheinische Schiefergebirge am Binger Loch eine Aufweitung des Flussbettes auf bis zu 1 km Breite. Die geringe Fließgeschwindigkeit führt durch die Ablagerung von Geröll zur Bildung von Inseln und Flachwasserzonen. Zwischen Mainz und Bingen liegen heute acht Inseln, und der Bereich ist immer noch ständigen Umlagerungsprozessen unterworfen. Auf der Niederterrasse südlich und nördlich der Ufer lagerten sich Schlick und Schwemmsande ab, die das geologische Material zur Bildung eiszeitlicher Flugsandfelder beziehungsweise rezenter Binnendünen waren.
Der Strukturreichtum im Bereich des Inselrheins und auch die Verbesserung der Wasserqualität ermöglicht das Vorkommen von stark gefährdeten und vom Aussterben bedrohten Fischarten mit unterschiedlichen Ansprüchen an den Lebensraum wie vom einheimischen Steinbeißer und von den Wanderfischarten Lachs, Maifisch, Fluss- und Meerneunauge.
Trotz stark konkurrierender Nutzungen aus Landwirtschaft, Verkehr, Gewerbe, Freizeit und Erholung sowie erheblicher flussbaulicher Veränderungen sind im Gebiet naturnahe Relikte der Stromtal-Auenlandschaft erhalten geblieben, insbesondere Flachwasserzonen, die Rheininseln, großflächige, temporäre Überschwemmungsflächen, Kleingewässer, Röhrichte, großflächige Weichholz- und Hartholz-Flussauenwälder, aber auch Kopfbäume, strukturreiche Hybridpappel-Bestände mit hohen Tot- und Altholzanteilen und Streuobst-Parzellen. Besonders erwähnenswert sind die weitläufigen stromtaltypischen extensiven Grünlandgesellschaften verschiedener Feuchtestufen einschließlich feuchter Hochstaudenfluren mit Vorkommen charakteristischer Stromtalarten und Übergängen zu Halbtrockenrasen.
Der Inselrhein mit den Naturschutzgebieten "Haderaue-Königsklinger Aue", "Fulder Aue-Ilmen Aue" und "Sandlache" auf rheinland-pfälzischer Seite ist als Brut-, Rast- und Überwinterungsplatz für Wat- und Wasservögel von internationaler Bedeutung und ein wesentlicher Trittstein zwischen den Rastplätzen in Nord- und Süddeutschland. In den Wintermonaten bevölkern über 10 000 Wasservögel das Gebiet. Bei Niedrigwasser gibt der Rhein Schlickflächen unterschiedlicher Ausdehnung frei, die im Frühjahr und Herbst von Limikolen zur Nahrungssuche genutzt werden. Der Internationale Rat für Vogelschutz verlieh dem „Rhein zwischen Eltville und Bingen" deshalb das Prädikat „Europareservat". Nach der Ramsar-Konvention ist das Gebiet als „Feuchtgebiet internationaler Bedeutung" anerkannt und geschützt und auch als Vogelschutzgebiet "Rheinaue Bingen-Ingelheim" nach der EU-Vogelschutzrichtlinie gemeldet.
In der Haderaue bestehen großflächig ausgebildete Silberweiden-Flussauenwälder und Streuobstwiesen. Der Silberweiden-Flussauenwald, die natürliche Vegetation der Weichholzaue des Rheinstroms, erstreckt sich hier entlang des Rheins in einem nahezu durchgängigen Streifen von bis zu 100 Metern Breite.
Die Feuchtwiesen der Haderaue sind teilweise als Silgen-Wiesen ausgebildet und zeigen wechselfeuchte Standortbedingungen an. Im blühenden Zustand besonders auffallend sind Wiesensilge (Silaum silaus) und Großer Wiesenknopf (Sanguisorba officinalis). Die Feuchtwiesen im westlichen Gebietsteil sind durch die Kohldistel (Cirsium oleraceum), Wald-Engelwurz (Angelica sylvestris), Gilbweiderich (Lysimachia vulgaris) und Mädesüß (Filipendula ulmaria) als Kohldistelwiesen zu erkennen. Hier wachsen auch die stark gefährdeten Pflanzenarten Kantiger Lauch (Allium angulosum) und Langblättriger Ehrenpreis (Pseudolysimachion longifolium). Diese typischen Stromtalwiesenarten lassen vermuten, dass die Kohldistelwiesen durch Nutzungsintensivierung aus einer mageren Streuwiese hervorgegangen sind.
Zwergbinsen-Uferpioniergesellschaften entwickeln sich auf nur im Spätsommer trockenfallenden Schlammflächen. Im Gebiet werden sie vom Schlammkraut (Limosella aquatica) dominiert. Für durchziehende Watvögel sind sie Rastplätze von herausragender Bedeutung. Auf höher gelegenen Standorten schließen sich Zweizahn-Uferpioniergesellschaften an. Typische Pflanzenarten sind unter anderem Schwarzfrüchtiger Zweizahn (Bidens frondosa), Milder Knöterich (Persicaria dubia) und Bleicher Gauchheil-Ehrenpreis (Veronica catenata).
Die Randbereiche des Auwaldes und die Obstwiesen auf der Königsklinger Aue sind Brutgebiet von Steinkauz und Pirol. Charakteristisch für den Weichholzauenwald ist der Kleinspecht. Am Rheinseitenarm kann der Eisvogel als Nahrungsgast beobachtet werden. Die Stillwasserbereiche im Naturschutzgebiet Fulder Aue-Ilmenaue sind als Rast- und Überwinterungsgebiet vor allem für Reiherenten und Tafelenten, Gänsesäger und Zwergsäger von herausragender Bedeutung.
Das Naturschutzgebiet Sandlache bei Ingelheim erstreckt sich als etwa 4 km langes, nur 50 bis 200 Meter breites Waldband längs eines Altrheinarmes. Hier ist vor allem der Hartholzauenwald bemerkenswert. Wenn auch Teile verändert oder in Obstwiesen verwandelt wurden, so liegen doch im Zentrum reich gegliederte Bestände mit einzelnen über 200 Jahren alten Eichen, Ulmen, Eschen und Linden sowie einer gut ausgebildeten Strauch- und Krautschicht. Vor allem im Frühjahr besticht das bunte Bild der Geophyten mit dem weißen Buschwindröschen (Anemone nemorosa), dem Gelben Windröschen (Anemone ranunculoides), der blauen Zweiblättrigen Sternhyazinthe (Scilla bifolia), Wald-Gelbstern (Gagea lutea), Einbeere (Paris quadrifolia) und Schuppenwurz (Lathraea squamaria). Typische Tierarten sind Knoblauchkröte, Kamm-Molch, Knäkente, Grau- und Kleinspecht.
Lebensraumtypen (Anhang I):
* = Prioritärer Lebensraumtyp
Arten (Anhang II):
Amphibien
Kamm-Molch (Triturus cristatus) |
Fische und Rundmäuler
Flussneunauge (Lampetra fluviatilis) | |
Lachs (Salmo salar) | |
Maifisch (Alosa alosa) | |
Meerneunauge (Petromyzon marinus) | |
Steinbeißer (Cobitis taenia) |
Käfer
Hirschkäfer (Lucanus cervus) |
Libellen
Grüne Keiljungfer (Ophiogomphus cecilia) |
Weichtiere
Bachmuschel (Unio crassus) |
* = Prioritäre Art
Links:
Datenblatt - Legende zum DatenblattVogelschutzgebiet 6013-401 - Rheinaue Bingen-Ingelheim
www.nabu-rheinauen.de/projekte/auenservice/schutzgebiete/
https://de.wikipedia.org/wiki/Inselrhein
http://lebendiger-rhein.de/pdf/broschuere.pdf
Literatur:
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