1902 - Frauenschuh (Cypripedium calceolus) | FFH-Arten in RLP

Steckbrief zur Art 1902 der FFH-Richtlinie

Frauenschuh (Cypripedium calceolus)

Gruppe:

Pflanzen

Merkmale:

Der Frauenschuh ist die bekannteste und auffälligste wild wachsende Orchideenart in Rheinland-Pfalz. Die Blüte dieser bis 60 cm hohen krautigen Pflanze ist unverwechselbar. Etwa 5 cm lange, abstehende, rotbraune Perigonblätter (Blütenblätter) umgeben eine große, gelbe, pantoffelförmig-bauchige Lippe (Labellum).

Die einzelnen Triebe tragen meist ein bis zwei, selten mehr Blüten. Der Duft dieser attraktiven Orchideenart erinnert an Aprikosen oder Orangen.

Die den Stängel umfassenden 11-20 cm langen Blätter sind oval-lanzettlich, seidig behaart und besitzen ausgeprägte Blattnerven.

Lebensraum:

Der Frauenschuh wächst bei uns in lichten Wäldern auf kalkhaltigen, basenreichen Lehm-, Ton- und Rohböden. Als Halbschattenpflanze kommt er zudem gerne in Gebüschen und im Saum von Kiefernmischwäldern zusammen mit anderen Orchideenarten wie der Mücken-Händelwurz (Gymnadenia conopsea) oder dem Roten Waldvöglein (Cephalanthera rubra) vor. Der Frauenschuh gilt als Kennart der Orchideen-Buchenwälder (Cephalanthero-Fagenion).

Biologie und Ökologie:

Der Frauenschuh blüht von Mai bis Juni. Seine Vermehrung erfolgt über Samen. Bestäuber sind Insekten, in Deutschland vorwiegend Sandbienen.

Der Bestäubungsmechanismus wurde bereits von Charles Darwin beschrieben. Die innen rot punktierte Blütenlippe ist eine Kesselfalle. Insekten, die in den Kessel eindringen oder hineinfallen, können ihn durch den Eingang nicht mehr verlassen. Die Innenwand der Lippe ist mit einem feinen Ölüberzug versehen, der die Oberfläche so glatt macht, dass Insektenfüße keinen Halt finden. Die Ränder der Öffnung des Schuhs sind einwärts gebogen und ebenfalls glatt.

Die Blütenbesucher können nur einen der beiden Ausgänge am Lippengrund benutzen. Um die Blüte verlassen zu können, muss das Insekt einen vorgegebenen Weg im Bereich der "Ferse" des Schuhs nehmen. Die beiden seitlichen Ausstiege werden durch lichtdurchlässige Fenster beleuchtet und führen durch eine Haartreppe ins Freie. Am Innenrand dieser engen seitlichen Ausstiege befindet sich jeweils ein Staubbeutel. Beim Durchzwängen belädt sich das Insekt mit den staubförmigen, klebrigen Pollenkörnern. Hier befindet sich auch die Narbe, die durch die abgestreiften Pollen aus anderen Frauenschuhblüten befruchtet wird, wenn das Insekt die Blüte verlässt.

Bis zur Fruchtreife dauert es etwa vier Monate, wobei sich meist weniger als 30% der Blüten zu Früchten entwickeln. Die Samen der Kapselfrüchte werden durch den Wind verbreitet. Die oberirdischen Organe sterben nach dem Fruchtansatz im Herbst ab.

Die Keimung des Samens und die weitere Entwicklung der Pflanze erfolgt in Symbiose mit einem Wurzelpilz (Mykorrhiza). Die Entwicklung bis zur ausgewachsenen Pflanze dauert mehrere Jahre. Nach 4-8 Jahren wird das erste grüne Blatt angelegt.

Bis eine Pflanze reproduktionsfähig ist, vergehen ungefähr 15 Jahre. Nicht nur die Entwicklungsdauer ist außergewöhnlich lang, auch die Lebensdauer des Frauenschuhs ist bemerkenswert. Wurzelstöcke, die 20 Jahre und älter wurden, sind bekannt. Auch gibt es Wuchsorte, an denen Populationen des Frauenschuhs über 50 Jahre lang überdauerten.

Verbreitung in Rheinland-Pfalz:

Cypripedium calceolus ist in Europa und Asien verbreitet und erreicht seine Westgrenze in Mittelengland. Hauptverbreitungsgebiete in Deutschland sind Baden-Württemberg, Bayern und Thüringen. In Norddeutschland gibt es große Verbreitungslücken.

In Rheinland-Pfalz sind aktuell nur kleine Vorkommen aus dem Mittelrheingebiet, der Eifel und aus dem Gutland bekannt. Die ehemals großen Vorkommen vor allem im Mittelrheingebiet und in der Eifel sind inzwischen nahezu erloschen.

Gefährdungen:

Starke Bestandsrückgänge wurden in der Vergangenheit und zum Teil noch heute durch das Abpflücken und Ausgraben der attraktiven Pflanzen verursacht.

Ein anderer gravierender Faktor des erheblichen Rückgangs der Art sind die Lebensraumverluste. Die Aufgabe historischer Waldbewirtschaftung wie Waldweide oder Niederwaldwirtschaft, fortschreitende Sukzession und Aufforstungen führten zu einem erheblichen Rückgang der Bestände in lichten Wäldern. Der Frauenschuh verliert mit zunehmender Beschattung durch Bäume und Sträucher seine Fähigkeit zur Blütenbildung und damit zur Ausbreitung über Samen. Fehlen die Wildbienen, deren Lebensräume ebenfalls im lichten Waldrandbereich liegen, als Bestäuber, ist der Fortbestand der Frauenschuh-Bestände ebenfalls gefährdet.

Schutzmaßnahmen:

Am Naturstandort muss eine Lichtdurchflutung der Gehölzbestände garantiert sein. Deshalb müssen an Standorten des Frauenschuhs die Bäume sehr licht stehen. Dies kann beispielsweise durch selektive Entnahme von Gehölzen realisiert werden. Gebüschsäume sollten in die Pflegemaßnahmen einbezogen werden.

1996 wurde der Frauenschuh vom AHO (Arbeitskreis Heimische Orchideen) zur Orchidee des Jahres gekürt. Durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit sollte weiterhin das Bewusstsein geweckt werden, hochwertige Orchideen im Fachhandel für Gartenpflanzen zu erwerben und nicht vom Naturstandort zu entnehmen, zumal die Pflanzen die Umsiedlung gewöhnlich nicht vertragen und absterben. Der strikte Schutz vor Ausgraben und Abpflücken hat sich als effektive Schutzmaßnahme für diese Orchidee erwiesen.

Bei kleinen und besonders exponierten Vorkommen ist dazu eine weitgehende Geheimhaltung der genauen Fundorte für den Fortbestand wesentlich. Zum Schutz, auch vor Verbiss, müssen insbesondere individuenschwache Bestände eingezäunt werden. Überhöhte Wildbestände sind zu vermeiden. Rohbodenstandorte im Umkreis der Frauenschuh-Vorkommen sind als Habitate der Sandbienen (wichtigste Bestäuber) möglichst zu erhalten.

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Stand: 08.07.2014