Steckbrief zur Art 1044 der FFH-Richtlinie
Helm-Azurjungfer (Coenagrion mercuriale)
Gruppe:
Libellen
Merkmale:
Die Helm-Azurjungfer erreicht eine Flügelspannweite von 3-4 cm. Die Männchen dieser etwa 2,7 bis 3,3 cm großen Libellenart weisen eine leuchtend blaue Grundfärbung mit schwarzen Zeichnungselementen auf. Die Unterseite der Weibchen ist gelbgrün oder blaugrün, die Oberseite schwarz gefärbt.
Der Name ist zurückzuführen auf eine Zeichnung auf dem zweiten Hinterleibssegment der Männchen in Form eines Merkur-Helmes (Merkur: römischer Gott des Krieges und des Handels).
Lebensraum:
Die Helm-Azurjungfer besiedelt Quellschlenken und Quellrinnsale in kalkreichen Quellmooren, unter anderem Davellseggenriede. Solche Gewässerbereiche sind zwischen 0,5 und 3 m² groß, sehr flach und schwach durchströmt. Sie werden nicht oder kaum beschattet, führen ganzjährig Wasser und frieren nicht zu.
Die aktuell bekannten Lebensräume der Helm-Azurjungfer in Rheinland-Pfalz sind grundwasserbeeinflusste, meist flache, aber deutlich fließende Gräben und kleine Bäche (zwischen 1 und 10 cm/s) mit hohen Deckungsgraden an wintergrünen, krautigen Wasserpflanzen wie zum Beispiel Aufrechter Merk (Berula erecta), Echte Brunnenkresse (Nasturtium officinale), Wasserminze (Mentha aquatica) oder Bachbunge (Veronica beccabunga). Die Gewässer sind sauber (in der Regel Güteklasse I-II oder II). Von der Helm-Azurjungfer besiedelte Gräben werden in Teilabschnitten ausgemäht, aber nur selten geräumt, sind nicht oder nur locker mit Gehölzen bestanden und weisen eine mehr oder weniger ausgeprägte Unter- und Überwasservegetation auf. Besonders geeignet sind Gewässer mit einem Deckungsgrad der Überwasservegetation zwischen 30 und 60%. Von der Helm-Azurjungfer besiedelte Gewässerabschnitte sind meist zu weniger als 20% beschattet.
Die (zumindest leichte) Durchströmung garantiert einen Mindestsauerstoffgehalt des Gewässers von ca. 2,5 mg Sauerstoff pro Liter. Auch die ganzjährig sauerstoffproduzierende, wintergrüne Unterwasservegetation sichert eine gute Sauerstoffversorgung. Durch Grundwasserbeeinflussung liegen die Wassertemperaturen auch im Winter bei ca. 5 bis 10° C. Dies verhindert ein Zufrieren der Lebensräume der Larven. Durch die geringe Wassertiefe und meist volle Besonnung erwärmen sich die Gewässer im Frühjahr und Sommer jedoch schnell, trocknen aber infolge des Quellwasserzutritts nicht aus.
Dem Landlebensraum kommt eine hohe Bedeutung als Reifungs-, Ruhe- und Jagdbiotop zu. Strukturreiche Bereiche mit einem hohen Beutetierangebot (kleine Insekten) sind wesentlicher Bestandteil des Gesamtlebensraumes. Als Landlebensraum werden die Gewässerböschungen, angrenzende Wiesen und lichtwüchsige Hochstaudenfluren genutzt. Meist halten sich die Libellen in einem Bereich von weniger als 10 m zu beiden Seiten des Gewässers auf. Strukturarme Vegetationsbestände wie frisch gemähte Wiesen werden nicht genutzt.
Biologie und Ökologie:
Die Eiablage erfolgt in dichte Pflanzenbestände in Gewässerbereichen mit geringer Fließbewegung. Die Eier werden in lebende Pflanzenteile abgelegt, die dicht über oder unter der Wasseroberfläche liegen.
Bei ca. 15-20°C Wassertemperatur schlüpfen nach ca. 21 Tagen die Larven aus den Eiern. Bei niedrigeren Wassertemperaturen dauert die Embryonalentwicklung länger.
Die Entwicklungszeit der Larven beträgt zwei Jahre, in Ausnahmefällen, vor allem in wärmebegünstigten Gewässern, auch ein Jahr. Die Larven leben dicht über dem Gewässergrund überwiegend zwischen Wasserpflanzen. Bereiche mit dicken Schlammauflagen werden nicht als Larvenlebenraum akzeptiert. Daher ist anzunehmen, dass der Anteil abgestorbener Feinpartikel (Detritus) im Bereich der Larvenlebensräume gering sein sollte.
Die adulten Tiere sind meist in der Ufervegetation oder auf den aus dem Wasser ragenden Teilen der Vegetation zu finden. Die Männchen sitzen gerne, durch die Böschung und die Ufervegetation vor Wind geschützt, 20 bis 30 cm über dem Wasserspiegel.
Selten werden Individuen der Helm-Azurjungfer älter als einen Monat. Die Flugzeit einer Population dieser Libellenart reicht jedoch von Mai bis August.
Verbreitung in Rheinland-Pfalz:
Sämtliche Vorkommen liegen im Oberrhein-Tiefland im Bereich der Fließgewässer-/Graben-Systeme zwischen Bienwald und Bellheimer Wald. Die größte zusammenhängende Population findet sich im Bruchbach-Otterbachsystem. Diese Vorkommen sind in Deutschland von besonderer Bedeutung, da hier vor allem primäre Fließgewässer-Lebensräume besiedelt werden. In anderen Bereichen Deutschlands werden schwerpunktmäßig Gräben (sekundäre Lebensräume) genutzt.
Vorkommen in FFH-Gebieten:
6715-301 - Modenbachniederung |
6715-302 - Bellheimer Wald mit Queichtal |
6814-302 - Erlenbach und Klingbach |
6914-301 - Bienwaldschwemmfächer |
Gefährdungen:
Eine hohe Empfindlichkeit besteht besonders gegenüber unmittelbaren Eingriffen in den Lebensraum durch Verdolung, Maßnahmen zur Festigung von Ufer und Gewässersohle und Grundräumungen. Die Beseitigung von Strukturen im Landlebensraum durch großflächige Mahd der Gewässerrandstreifen und Intensivierung der Nutzung im Umfeld der Fließgewässer und Gräben sind wesentliche Eingriffe, die zum Erlöschen der Populationen führen können. Aufgrund der engen Bindung an die unmittelbar an die Gewässer angrenzenden Bereiche wirken sich Maßnahmen in einem beidseitigen Abstand von ca. 10 Metern zum Gewässer besonders gravierend auf die Art aus. Nährstoffeinträge in das Gewässer führen zu einem verstärkten Pflanzenwachstum (Verkrautung). Dadurch kann die optimale Vegetationsdeckung so verändert werden, dass das Gewässer seine Eignung als Lebensraum für die Helm-Azurjungfer verliert. Durch den dabei erhöhten Anfall von organischer Substanz im Gewässer können sich Schlammschichten bilden. Die Folge hiervon ist eine zunehmende Sauerstoffzehrung im Gewässer, das dann auch strukturell nicht mehr als Larvenlebensraum geeignet ist.
Schutzmaßnahmen:
Vordringlich ist die Sicherung der Fließgewässer gegenüber Nährstoffeinleitungen, Ausbaumaßnahmen und Trockenfallen. Unabdingbar zum nachhaltigen Erhalt der Populationen ist auch die Ausweisung von an die Lebensraumansprüche der Art angepassten Uferrandstreifen. Das Gewässernetz aus Fließgewässern und Gräben sowie das Mosaik aus intensiv und extensiv genutztem Grünland und Grünlandbrachen in den Auen des Bruchbach-Otterbachsystems sind zum Erhalt der Art in Deutschland von zentraler Bedeutung. Auf die Helm-Azurjungfer abgestimmte Nutzungskonzepte tragen wesentlich zur Sicherung der Populationen bei.
Links:
www.ruedigerbartsch.de/galleries/kleinlibellen/0407_7504-c.htm
http://ec.europa.eu/environment/life/project/Projects/
www.libellen.tv/libelle_helm-azurjungfer_coenagrion-mercuriale.html
www.dragonflypix.com/speciespages/coenagrion_mercuriale.html
www.libellen-wetterau.de/kleinlibellen/coenagrionidae/coenagrion_mercuriale.html
http://hessen.nabu.de/artenschutz/ffharten/insekten/02667.html
Literatur:
Buchwald, R. (1994): Zur Bedeutung der Artenzusammensetzung und Struktur von Fliessgewässer-Vegetation für die Libellenart Coenagrion mercuriale mit Bemerkungen zur Untersuchungsmethodik Berichte der Reinhold-Tuexen-Gesellschaft, Bd. 6: 61-81.
Burbach, K. (2006): Schutzkonzeption für Vogel- und Helm-Azurjungfer (Coenagrion ornatum, C. mercuriale) in Bayern. In: Habitatwahl, Fortpflanzungsverhalten und Schutz mitteleuropäischer Libellen (Odonata). Ergebnisse der 23. Jahrestagung der Gesellschaft deutschsprachiger Odonatologen (GdO) 19.-21.3.2004 Oldenburg. Schriftenreihe des Landesmuseums für Natur und Mensch 43: 59-60.
Fliedner, H. (1997): Die Bedeutung der wissenschaftlichen Namen europäischer Libellen. Libellula, Suppl. 1. 111 pp.
Petersen, B.; Ellwanger, G.; Biewald, G.; Hauke, U.; Ludwig, G.; Pretscher, P.; Schröder, E.; Ssymank, A. (Bearb.) (2003): Das europäische Schutzgebietssystem Natura 2000. Ökologie und Verbreitung von Arten der FFH-Richtlinie in Deutschland. Bd.1: Pflanzen und Wirbellose. Schriftenreihe für Landschaftspflege und Naturschutz 69/1. Bundesamt für Naturschutz, Bonn (Hrsg.): 560-567.
Keller, D.; Holderegger, R. (2013): Damselflies use different movement strategies for short- and long-distance dispersal. Insect Conservation and Diversity 6(5): 590-597.
Kitt, M. (1995): Zur Verbreitung von Fließgewässerlibellen (Insecta: Odonata) im südpfälzischen Raum. Fauna Flora Rheinland-Pfalz 7: 897-918.
Koch, B.; Wildermuth, H.; Walter, T. (2009): Einfluss der Habitateigenschaften auf das Verbreitungsmuster von Coenagrion mercuriale an einem renaturierten Fließgewässer im Schweizer Mittelland (Odonata: Coenagrionidae). Libellula 28(3): 139-158.
Kuhn, K.; Burbach, K. (1998): Libellen in Bayern. Ulmer, Stuttgart. 333 pp.
Lingenfelder, U. (2013): Die Libellen der Queichniederung (Insecta: Odonata). Fauna und Flora in Rheinland-Pfalz 12(3): 921-998.
Röske, W. (2006): Coenagrion mercuriale - Artenschutz mit Tradition. In: Habitatwahl, Fortpflanzungsverhalten und Schutz mitteleuropäischer Libellen (Odonata). Ergebnisse der 23. Jahrestagung der Gesellschaft deutschsprachiger Odonatologen (GdO) 19.-21.3.2004 Oldenburg. Schriftenreihe des Landesmuseums für Natur und Mensch 43: 54-58.
Rouquette, J. R.; Thompson, D. J. (2007): Patterns of movement and dispersal in an endangered damselfly and the consequences for its management. Journal of Applied Ecology 44(3): 692-701.
Sternberg, K.; Buchwald, R. (1999): Die Libellen Baden-Württembergs. Band 1: Allgemeiner Teil, Kleinlibellen (Zygoptera). Ulmer, Stuttgart. 468 pp.