Steckbrief zur Art A292 der Vogelschutz-Richtlinie
Rohrschwirl (Locustella luscinioides)
Status und Häufigkeit:
Anhang I | Gefährdeter Durchzügler | Rote Liste D (2015) | Rote Liste RLP (2014) | Erhaltungszustand |
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- | x | * | 1 | |
Status RLP | Bestand D | Bestand RLP | Bestandsentwicklung RLP | |
Regelmäßiger Brutvogel; verlässt das Brutgebiet im Winterhalbjahr; Durchzügler | 5.500 – 9.500 Brutpaare | 5 – 15 Brutpaare | abnehmend |
Kennzeichen:
Länge 14 cm. Ein ungestreifter Schwirl des Röhrichts. Am ähnlichsten dem Schlagschwirl; besonders problematisch sind Durchzügler der östlichen Rohrschwirl-Unterart. Gesamtfärbung und Habitatansprüche erinnern an den Teichrohrsänger Acrocephalus scirpaceus; Schnabel im Verhältnis länger als bei anderen Schwirlen, die recht flache oder spitze Scheitelform erinnert ebenfalls an Teichrohrsänger, jedoch sind Gesang, Flügel- und Schwanzform sowie Verhalten gattungstypisch. Deutlich größer und gedrungener als Teichrohrsänger, besonders im hinteren Bereich, und mit längeren, breiteren und gerundeten oder fast gerade endenden Unterschwanzdecken (oft mit schwacher heller Schuppenzeichnung), ferner mit breiterem und mehr gestuftem Schwanz, breiterer dreieckiger Flügelspitze, eher gerundetem (statt geradem) Flügelrand, mit kräftigeren Beinen und Füßen, die zudem heller (grau- bis mattrosa) gefärbt sind, weiterhin mit meist deutlicherem hellem Überaugenstreif hinter dem Auge, jedoch nicht davor, mit ziemlich auffälligen Halbmondflecken über und unter dem Auge und mit dunkleren, mehr olivbraunen Flanken und Unterschwanzdecken (sowie mit olivbraunem Anflug auf der Brust). Im frischen Gefieder gesamte Unterseite bräunlich, abgesehen von der weißlichen Kehle, aber im abgetragenen Gefieder sind Kehle, Brust und Bauch eher weiß. Kennzeichnende Bewegungsweise: Der Rohrschwirl läuft (wenn er nicht gerade singt) bodennah oder auf dem Boden durch das Schilf, der Schwanz wird dabei gestelzt; er kriecht eher „verstohlen“ auf den kräftigen Füßen am Schilfgrund (statt in mittlerer Halmhöhe zu klettern und zu hüpfen). Im Gegensatz zu Rohrsängern stelzen Rohrschwirle häufig den Schwanz und „purzeln“ nach dem Gesangsvortrag unbeholfen zum Schilfgrund hinab. Man beachte, dass der Feldschwirl häufig ungestreift erscheint, außer bei guter Sicht, und ebenfalls im Schilf singt. Heimliches Verhalten und Rufe erinnern an Seidensänger. Auf dem Zug oft auf dem Boden in buschiger Deckung, weitab vom Schilf (seIten sogar am Rand von vegetationslosen Flächen), läuft dort mit gestelztem Schwanz und niedrig gehaltenem Kopf; Durchzügler suchen gelegentlich in niedrigen Bäumen nach Nahrung, wobei sie rasch die Zweige entlanglaufen beziehungsweise sich – ganz anders als Rohrsänger – nach unten fallen lassen; dabei halten sie sich stets im Laub verborgen. Ruft berstend „tschick“ oder „tschink“, was an den Einzelruf einer zeternden Amsel erinnert (auch ähnlich dem Ruf des Seidensängers); bei Gefahr werden die Rufe zu einem Gezeter gereiht. Gesang kennzeichnend. Ein lang anhaltendes, tiefes, surrendes Schwirren, das minutenlang anhält und im Vergleich zum Feldschwirl deutlich tiefer und härter klingt; zudem werden die Silben viel rascher aneinander gereiht. Der Gesang setzt mit einer Folge klar getrennter, scharfer „tschick“-Laute ein, die schneller werden und ins Schwirren übergehen (der Feldschwirl setzt mit kurzen Schwirrstößen ein). Singt in aufrechter Haltung nahe der Spitze eines Schilfhalms, besonders in der Dämmerung, aber auch lang anhaltend tagsüber und nachts.
Lebensraum:
Zur Brutzeit größere Schilfflächen (manchmal mit einzelnen Büschen) an Seen und Flüssen; gelegentlich auch Schilfflächen in Sumpfgebieten. Durchzügler treten in einer Vielzahl buschreicher Lebensräume auf, auch in Parks und Gärten, wenn keine Ufer- oder Sumpfgebiete in der Nähe sind.
Biologie und Ökologie:
Typischer Brutvogel ausgedehnter Schilfröhrichte. Weitstreckenzieher, der südlich der Sahara überwintert. Die ersten Rohrschwirle singen meist ab Mitte April, wenn sie auch ihre Reviere beziehen. Die Hauptgesangsaktivität erstreckt sich von Ende April bis Anfang/Mitte Juni und erneut im Juli und August. Das Nest steht gut gedeckt auf trockener Unterlage (Knickschilf, Seggenbulten) über seichtem Wasser. Legebeginn: Die heimischen Brutvögel beginnen mit der Eiablage der Erstbrut wohl frühestens gegen Ende April/Anfang Mai. Das Vollgelege umfasst 4 - 6, meist 5 Eier. Das Gelege wird 12 - 14 Tage bebrütet, die Nestlingszeit beträgt zwischen 11 und 15, meist 12 oder 13 Tagen. Die auffallend lange Brutperiode endet mit der zweiten Brut, die sich bis in den September hineinziehen kann. Die Nahrung besteht aus Insekten und deren Larven, Spinnen und kleinen Schnecken, Zusammensetzung weitgehend vom Angebot abhängig. Die Fluchtdistanz liegt bei < 10 bis 20 m.
Verbreitung in Rheinland-Pfalz:
Der Rohrschwirl ist eine eher östlich verbreitete Art, die ein europäisch-turkestanisches Faunenelement darstellt, mit Vorkommen in Europa, Westsibirien und Mittelasien. 3 Unterarten. In Deutschland seltener Brutvogel, der gebietsweise fehlt. In Rheinland-Pfalz auf die großen Schilfgebiete im Rheintal beschränkt. Überwintert südlich der Sahara.
Vorkommen in Vogelschutzgebieten:
Gefährdungen:
- Verlust des Lebensraumes durch Entwässerung, Grundwasserabsenkung, Melioration, Flurbereinigung, Intensivierung der Landwirtschaft mit verstärkter Nutzung (oder Entfernung) von Ufersäumen und Grabenrändern, Überbauung, Kiesabbau;
- Stark negative Auswirkungen der Eutrophierung der Brutgebiete (Artenverarmung, Wüchsigkeit);
- Lebensraumverschlechterung bzw. -vernichtung in den Rast- und Überwinterungsgebieten;
- Störung durch intensive Freizeitnutzung;
- Natürliche Ursachen wie Überflutungen und Konkurrenz mit anderen Rohrsängerarten;
- Direkte Verfolgung auf dem Zug und im Winterquartier.
Empfehlungen zum Schutz und zur Förderung der Art:
- Erhaltung der verbliebenen Brutgebiete, vor allem am Verbreitungsrand;
- Schutz oder Wiederherstellung naturnaher Flussniederungen;
- Reduzierung der Eutrophierung;
- Verhinderung oder Reduzierung der Störungen durch den Menschen an den Brutplätzen.
Literatur:
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