a104 - Haselhuhn (Tetrastes bonasia) | VSG-Arten in RLP

Steckbrief zur Art A104 der Vogelschutz-Richtlinie

Haselhuhn (Tetrastes bonasia)

Status und Häufigkeit:

Anhang I Gefährdeter Durchzügler Rote Liste D (2015) Rote Liste RLP (2014) Erhaltungszustand
x - 2 1
Status RLP Bestand D Bestand RLP Bestandsentwicklung RLP
Regelmäßiger Brutvogel; Jahresvogel 1.000 – 1.500 Brutpaare ca. 200 – 240 Brutpaare Bestände rückläufig

Kennzeichen:

Länge 35 - 37 cm. Kleines, scheues Raufußhuhn dichter Wälder. Öfter zu hören als zu sehen. Der typische Eindruck ist der eines rebhuhnähnlichen Vogels, der mit burrendem Flügelschlag aus dem Unterholz auffliegt sowie rasch und geschickt manövrierend zwischen den Bäumen flüchtet, wobei der hellspitzige Schwanz mit dem schwärzlichen Subterminalband das beste Merkmal ist. Bei sitzenden Vögeln sind die geschuppte Unterseite und, bei Männchen, die kurze Scheitelhaube und der schwarze, weiß gesäumte Kehllatz kennzeichnend. Meist paarweise oder Weibchen mit Jungen. Sitzt häufig in Bäumen, jedoch überwiegend am Boden anzutreffen. Das Weibchen ist oberseits mehr braun, weniger grau; ohne schwarzen Kehllatz. Jungvögel ähnlich Weibchen, aber ohne das dunkle Subterminalband und die weißliche Fleckung der Schulterfedern. Die typische Lautäußerung ist ein sehr hoher, scharfer rhythmischer Pfiff „siiiiiiiie-siie-sie“ oder ähnlich, klingt ganz anders als die Lautäußerungen anderer Hühnervögel, erinnert eher an Goldhähnchen oder manche Kleinsäuger.

Lebensraum:

Das Haselhuhn benötigt zusammenhängende, stark gegliederte Wälder mit reichem Deckungs- und Äsungsangebot. Es ist nach Flade (1994) Leitart für Laubniederwälder. In montanen Bereichen oder der Taiga ist es meist in unterholzreichen Tannen- oder Fichtenbeständen zu finden, in Mitteleuropa dagegen häufiger in Laub- oder Mischwäldern. Hauptvorkommen in Wäldern früher Sukzessionsstadien (Hauberge und Niederwälder); es meidet dagegen stark durchforstete Wirtschaftshochwälder. Es können drei bevorzugt besiedelte Ausbildungsformen der Hauberge unterschieden werden: Birken-Eichen-Hauberg mit geringem Unterwuchs, Birken-Eichen-Hauberg mit gut ausgebildetem Unterwuchs sowie Regionen entlang den Bächen und Quellnischen, die horizontal und vertikal stark strukturiert sind und eine mannigfaltige Vegetation aufweisen (Weißdorn, Schlehdorn, Faulbaum, Schwarzerlen und Weidenarten), wobei nur die letzte Form ganzjährig bewohnt wird. Im Alter von 7 bis 18 Jahren bieten Hauberge ein Optimalhabitat für das Haselhuhn. In der Eifel und im Ahrtal werden die steilen Hänge mit ehemaligen Niederwäldern besiedelt, die aber ähnlich strukturiert sind wie die Hauberge. Stromtrassen in Laubwaldgebieten, Windwürfe und spezielle angelegte „Haselhuhntaschen“ werden ebenfalls gerne besiedelt.

Sandige Wege und Forststraßen mit Böschungen werden gerne zum Sandbaden genutzt. Deutlicher saisonaler Habitatwechsel: im Winter in dichteren Waldbereichen mit höherem Nadelholzanteil; bei großer Kälte werden Schneehöhlen angelegt. Die durchschnittliche Reviergröße in Mitteleuropa beträgt 20 bis 40 ha (Ganzjahresstreifgebiet: 80 ha), je nach Verfügbarkeit der zum Überleben notwendigen Erfordernisse. Da sie Freiflächen nur ungern überfliegt, ist die Art besonders stark an Gebiete mit Vernetzung geeigneter Habitatstrukturen gebunden.

Biologie und Ökologie:

Abgesehen von Weibchen mit Jungvögeln trifft man Haselhühner meist einzeln oder paarweise, denn sie leben streng territorial. Die Balzzeit ist im Herbst und Frühjahr, doch auch dann sind Haselhühner nicht wesentlich auffälliger. Als extreme Nestflüchter verlassen die Jungen sofort nach dem Schlüpfen mit der Mutter das Nest und können mit 14 Tagen bereits gut fliegen. Nahrung: im Frühsommer und Sommer junge Triebe der Weichholzlaubarten, Gräser, Kräuter und Farne, Bodenvegetation und tierische Nahrung; im Herbst Beeren; im Winter Weidenkätzchen und Knospen einiger Weichholzarten. Ausgesprochener Standvogel und im Allgemeinen ortstreu.

Verbreitung in Rheinland-Pfalz:

Das Haselhuhn ist über die gesamte Paläarktis von Mitteleuropa und Skandinavien bis Ostsibirien verbreitet, mit Schwerpunkt im borealen Nadelwaldgürtel. Das Areal der Nominatform reicht von Nordpolen bis etwa zur Wolga; die Unterart in Mitteleuropa und Südosteuropa ist weitestgehend auf die aus klimatischen Gründen bevorzugten Mittelgebirge beschränkt. In Deutschland gibt es außerhalb der Alpen noch Vorkommen im Bayerischen Wald, Schwarzwald, Harz und im Rheinischen Schiefergebirge. In Rheinland-Pfalz kommt es mit einer Ausnahme nur noch nördlich der Nahe vor. Verbreitungsschwerpunkte sind die Mittel- und Untermosel und ihre Seitentäler, Rheintal, Eifel, Westerwald und Siegerland, Ahrtal, Lahntal und Taunus.

Gefährdungen:

  • Hauptursache: großräumiger Verlust oder Verinselung geeigneter Waldlebensräume. Besonders negativ sind zu intensive Bestandspflege (Aushieb von Weichlaubhölzern), Erschließung und Monotonisierung der Wälder sowie der Rückgang der Niederwaldwirtschaft;
  • Störungen durch Waldarbeiten sowie durch Spaziergänger mit Hunden;
  • Beeinträchtigung der Bestände verinselter Habitate durch Fressfeinde (besonders Habicht, Waldkauz) und Eierräuber (Wildschwein, Fuchs, Marder);
  • Jungenverluste bei nasskalter Witterung durch zunehmend atlantische Klimabedingungen zur Brutzeit;
  • Verbiss durch Schalenwild kann die Laubholzverjüngung verhindern und die Diversität der Bodenvegetation beeinträchtigen; die Folge ist eine deutliche Verschlechterung des Lebensraumes;
  • Anflüge gegen forstliche Kulturzäune (Drahtgitter).

Empfehlungen zum Schutz und zur Förderung der Art:

  • Großflächige Schutz- und Managementprogramme für Populationen von mindestens 20 - 30 Brutpaaren, die für ein langfristiges Überleben notwendig sind: Förderung von Pionierholzarten und Dickichtstrukturen mit reichem Angebot an Weichhölzern und beerentragenden Sträuchern; Minimierung von Erschließungsmaßnahmen unter Beachtung der Vernetzung geeigneter Habitatstrukturen;  Erhaltung von Nieder- und Mittelwäldern;
  • Aufhauen von mit Nadelhölzern zugepflanzten Bachläufen (Vernetzungsstrukturen);
  • Keine Übererschließung mit stark ausgebauten Waldwegen, hingegen Erhaltung strukturreicher, schmaler, gewundener Waldwege (Sandbaden und Nahrungssuche);
  • Reduktion des Reh- und Rotwildes auf ein Maß, das Naturverjüngung und artenreiche Sukzession ohne Gatter zulässt; 
  • Verhinderung von zu hohen Schwarzwildbeständen im Bereich der Haselhuhnhabitate;
  • Information von Waldbesitzern und Öffentlichkeit über die Biologie und den Schutz der Art.

Literatur:

Bauer, H.-G. & P. Berthold (1996): Die Brutvögel Mitteleuropas – Bestand und Gefährdung. – Aula-Verlag, Wiesbaden.

Bauer, H.-G., Berthold, P., Boye, P., Knief, W., Südbeck, P. & K. Witt (2002):
Rote Liste der Brutvögel Deutschlands (3. überarb. Fassung, 8.5.2002). – Berichte zum Vogelschutz 39: 13-60, Nürnberg.

Beaman, M. & S. Madge (1998): Handbuch der Vogelbestimmung: Europa und Westpalaearktis. – Ulmer Verlag, Stuttgart.

Bezzel, E. (1985): Kompendium der Vögel Mitteleuropas – Nonpasseriformes. – Aula-Verlag, Wies­baden.

Bezzel, E. (1995): BLV-Handbuch Vögel. – BLV, München.

Braun, M., Kunz, A. & L. Simon (im Druck): Rote Liste der Vögel in Rheinland-Pfalz.

Flade, M. (1994): Die Brutvogelgemeinschaften Mittel- und Norddeutschlands – Grundlagen für den Gebrauch vogelkundlicher Daten in der Landschaftsplanung. – IHW, Eching.

Glutz v. Blotzheim, U. N. & K. M. Bauer (1980): Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Bd. 9. – Aula-Verlag, Wiesbaden.

Gnor (2001): Vogelschutz und Windenergie in Rheinland-Pfalz. Gutachten zur Ermittlung definierter Lebensraumfunktionen bestimmter Vogelarten (Vogelbrut-, -rast- und -zuggebiete) in zur Errichtung von Windkraftanlagen geeigneten Bereichen von Rheinland-Pfalz. – Erstellt im Auftrag des Landesamtes für Umweltschutz und Gewerbeaufsicht Rheinland-Pfalz, 183 Seiten; Materialien Naturschutz und Landschaftspflege 2, Mainz.

Kunz, A. & C. Dietzen (2002): Die Vögel in Rheinland-Pfalz eine aktuelle Artenliste (Stand 01.12.2002). – Fauna Flora Rheinland-Pfalz, Beiheft 28: 207-221, Landau.

Kunz, A. & L. Simon (1987): Die Vögel in Rheinland-Pfalz – Eine Übersicht. – Naturschutz und Ornithologie in Rheinland-Pfalz 4, 3: 353-657, Landau.

Lieser, M. (1994): Untersuchungen der Lebensraumansprüche des  Haselhuhns (Bonasa bonasia L. 1758) im Schwarzwald im Hinblick auf Maßnahmen zur Arterhaltung. – Ökologie der Vögel, Band 16, Sonderheft.

Schmidt, R. (1986): Untersuchungen zum Artenschutzprojekt Haselhuhn (Bonasa bonasia) für den rechtsrheinischen Teil von Rheinland-Pfalz und den Forstamtsbezirk Ahrweiler. – Naturschutz und Ornithologie in Rheinland-Pfalz, Bd. 4, Nr. 2.

Staatliche Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland (2002): Artensteckbriefe zu den Zielarten der Vogelschutzrichtlinie. – Frankfurt/M.

Stand: 17.02.2016