Steckbrief zur Art 1324 der FFH-Richtlinie
Großes Mausohr (Myotis myotis)
Gruppe:
Säugetiere
Merkmale:
Mit einer Flügelspannweite von 35 bis 43 cm ist das Große Mausohr die größte Fledermausart in Rheinland-Pfalz. Seine Kopf-Rumpflänge misst 6,5 bis 8,0 cm, die Unterarmlänge 5,6 bis 6,8 cm. Das Gewicht schwankt zwischen 20 und 40 Gramm.
Das Rückenfell der erwachsenen Tiere ist graubraun, das Bauchfell weißgrau gefärbt. Die Jungtiere haben ein eher graues Fell. Die langen, breiten Ohren mit einem Ohrdeckel (Tragus), der fast halb so lang ist wie das Ohr, sind wie die Flughäute rötlichbraun gefärbt.
Lebensraum:
Das Große Mausohr richtet seine Wochenstubenkolonien meist in großen trockenen Dachräumen ein wie sie oft in Kirchen zu finden sind. Aber auch in Scheunen oder Brückenbauwerken wurden schon Wochenstubenkolonien entdeckt. In kleineren Quartieren in Gebäudespalten, Höhlen, Stollen und Baumhöhlen sind überwiegend die separat lebenden Männchen anzutreffen.
Bevorzugte Jagdbiotope sind galerieartig aufgebaute Wälder mit gering entwickelter bis fehlender Strauch- und Krautschicht. Auch Kulturland wird zur Jagd genutzt. Die Jagdgebiete liegen im Umkreis des Tagesschlafverstecks, können bei großen Kolonien aber mehr als 15 Kilometer entfernt sein. Jedes Individuum benötigt mehrere Hektar Fläche zur Jagd.
Als Winterquartiere des Großen Mausohrs dienen Höhlen, Stollen und frostfreie Keller. Hier liegen die Temperaturen etwa zwischen 1° und 12°C und die Luftfeuchtigkeit bei 85-100%.
Biologie und Ökologie:
Nach der Rückkehr aus den Winterquartieren schließen sich die Mausohrweibchen in den Monaten April/Mai bis August zu Wochenstubenkolonien aus bis zu mehreren hundert Individuen zusammen. Die größten Kolonien umfassen sogar mehrere tausend Tiere. Günstige Quartiere werden alljährlich, über Generationen hinweg, immer wieder aufgesucht. Meist im Juni gebären die Weibchen ein Junges, welches fast nackt zur Welt kommt und nur ungefähr 6 Gramm wiegt. Die Augen öffnen sich nach 4 bis 6 Tagen. Nach 30 Tagen sind die Jungen ausgewachsen. Der bisher nachgewiesene Altersrekord dieser Art liegt bei 25 Jahren.
Zur Zeit der Jungenaufzucht leben die Männchen solitär, jedoch kann es vorkommen, dass einzelne Individuen sich im gleichen Raum wie die Wochenstubenkolonien aufhalten. Die Weibchen ereichen die Geschlechtsreife nach etwa drei Monaten, Männchen nach 15 Monaten. Im August beginnt die Paarung.
Große Mausohren verlassen ihre Tagesschlafverstecke erst bei völliger Dunkelheit. Die Jungtiere bleiben im Quartier. Auf dem Weg zu den Jagdgebieten fliegen diese Fledermäuse oft entlang von Hausmauern aus dem Siedlungsraum hinaus. Sie überqueren die offene Kulturlandschaft in niedrigem Flug entlang von Hecken, Ufergehölzen, Obstgärten und Waldrändern. Die Jagdgebiete werden häufig während mehrerer Nächte vom gleichen Individuum abgesucht. Die Großen Mausohren fressen am liebsten Laufkäfer, außerdem auch Nachtfalter, Heuschrecken und Spinnen. Die Fledermäuse fliegen in 0,5-3 Meter Höhe über dem Boden und nehmen ihre Beutetiere oft direkt von der Bodenoberfläche auf. Bei schlechten Witterungsbedingungen verstecken sich die Tiere in Quartieren in der Nähe der Jagdgebiete. Sie fliegen dann erst in der darauffolgenden Nacht zu ihrer Kolonie zurück. Mausohren laufen und klettern geschickt und schnell.
Obwohl das Große Mausohr Wanderungen zwischen Sommer- und Winterquartieren von bis zu 200 Kilometern unternehmen kann, gehört es zu den eher sesshaften Arten. Ab September/Oktober sind die Tiere in den Winterquartieren anzutreffen, wo sie die kalte Jahreszeit im Winterschlaf überdauern, meist frei von der Decke und an Wänden hängend. Manchmal sind sie auch tief in Felsspalten versteckt. Sie können sowohl einzeln als auch eng in Gruppen gedrängt angetroffen werden. Während des Winterschlafs konnten Atempausen von 90 Minuten und nur 10 Herzschläge pro Minute gemessen werden.
Verbreitung in Rheinland-Pfalz:
Das Große Mausohr ist überall in Rheinland-Pfalz verbreitet. Sie ist hier die häufigste der in Anhang II der FFH-Richtlinie aufgeführten Fledermausarten. Sommer- und Winterquartiervorkommen liegen überall im Gutland, in der Eifel, im Hunsrück sowie im Moseltal und im Mittelrheingebiet. Zahlreiche große Sommerquartiere liegen im Mosel-, Rhein- und Lahntal. Im südlichen Landesteil sind deutliche Verbreitungslücken festzustellen.
Vorkommen in FFH-Gebieten:
Gefährdungen:
Die vorhandenen Quartiere sind durch Gebäuderenovierungen gefährdet. Die Anwendung toxischer Holzschutzmittel in den Sommerquartieren führt zu Vergiftungen. Schon kleinere bauliche Veränderungen an den Quartiergebäuden können zu Beeinträchtigungen führen, denn die Ein- und Ausfluggewohnheiten des Großen Mausohrs sind stark an Traditionen gebunden, die sich im Laufe der Jahre in einer Kolonie ausgebildet haben. So fliegt beispielsweise die ganze Kolonie in einer Kirche allabendlich durch den Kirchturm über mehrere Stockwerke hinunter bis zu einer ganz bestimmten Öffnung, durch welche dann ein Tier nach dem anderen das Gebäude verlässt.
Ähnliche Bindungen bestehen zu den angestammten Jagdgebieten der Population. Daher reagiert das Mausohr auch hier empfindlich auf Veränderungen.
Weitere Gefährdungsursachen sind Störungen des Winterschlafs und die Reduzierung des Nahrungsangebots durch den großflächigen Einsatz von Insektiziden.
Schutzmaßnahmen:
Störungs- und zugluftfreie Quartiere sind zu erhalten und neu zu anzulegen. Auf die Anwendung toxischer Holzschutzmittel in den genutzten Gebäuden sollte zum Schutz der Tiere verzichtet werden.
Im Umfeld von 10-15 km um die Wochenstuben müssen struktur- und insektenreiche Jagdgebiete vorhanden sein, welche die Tiere ungehindert entlang von Hecken und anderen Leitlinien erreichen können. Der großflächige Einsatz von Insektiziden in den Jagdgebieten sollte vermieden werden.
Links:
www.bogon-naturfoto.de/Fotogalerie/Fledermause_Spezial/Grosses_Mausohr/grosses_mausohr.html
www.arkive.org/greater-mouse-eared-bat/myotis-myotis/image-A14235.html
www.eurobats.org/about_eurobats/protected_bat_species/myotis_myotis
www.youtube.com/watch?v=PA42E-CWqTE
www.fledermausschutz.de/fledermausarten-in-europa/grosses-mausohr-myotis-myotis/
www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/Skript_325.pdf
Literatur:
Blohm, T.; Gille, H.; Hauf, H.; Heise, G.; Horn, J. (2005): Bemerkungen zur Störungstoleranz des Mausohrs (Myotis myotis) im Wochenstubenquartier. Nyctalus. Neue Folge 10(2): 99-107.
Encarnação, J. A.; Becker, N. I. (2014): Schlüsselarten für verantwortungsvollen Fledermausschutz in Deutschland - vergleichende Einschätzung anhand Gefährdung, Habitatanspruch und Ausbreitungspotential. Säugetierkundliche Informationen 9(48): 201-222.
Fuhrmann, M.; Kiefer, A. (1996): Fledermausschutz bei einer Straßenneubauplanung: Ergebnisse einer zweijährigen Untersuchung an einem Wochenstubenquartier von Großen Mausohren (Myotis myotis BORKHAUSEN, 1797). Fauna und Flora in Rheinland-Pfalz. Beiheft 21: 133-140.
Grimm, F.; König, H. (2013): Fledermäuse und ihr Schutz in der Südwestpfalz. Pollichia-Kurier 29(1): 42-46.
Güttinger, R. (1997): Jagdhabitate des Großen Mausohrs (Myotis myotis) in der modernen Kulturlandschaft. Schriftenreihe Umwelt 288. Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (Hrsg.). Bern/CH. 138 pp.
Haensel, J., Naturschutzbund Deutschland (Hrsg.) (2005): Mausohr (Myotis myotis). Nyctalus. Neue Folge 10(2): 99-220.
Haensel, J.; Ittermann, L. (2005): Zur Herkunft in Paarungsquartieren anzutreffender Mausohren (Myotis myotis) und weitere Informationen zu diesem Quartiertyp. Nyctalus. Neue Folge 10(2): 201-215.
Hausser, J. (Ed.) (1995): Säugetiere der Schweiz. Verbreitung. Biologie. Ökologie. Denkschriften der Schweizerischen Akademie der Naturwissenschaften 103. 501 pp.
König, H.; König, W. (1999): Zum Vorkommen des Großen Mausohrs (Myotis myotis BORKHAUSEN, 1797) in Nistkästen der Nordpfalz (Rheinland-Pfalz, Bundesrepublik Deutschland). Fauna und Flora in Rheinland-Pfalz 9(1): 113-120.
König, H. (2004): Fledermäuse (Mammalia: Chiroptera) im Biosphärenreservat Pfälzerwald. Biodiversität im Biosphärenreservat Pfälzerwald: Status und Perspektiven: 148-164.
König, H.; Wissing, H. (Bearb.) (2007): Die Fledermäuse der Pfalz. Ergebnisse einer 30jährigen Erfassung. Fauna und Flora in Rheinland-Pfalz, Beiheft 35: 220 pp.
Kulzer, E.; Müller, E. (1995): Jugendentwicklung und Jugendmortalität in einer Wochenstube von Mausohren (Myotis myotis) in den Jahren 1986-1993. Veröff. Naturschutz und Landschaftspflege Baden-Württ. 70: 137-197.
Meschede, A.; Heller, K.G.; Leitl, R. (2000): Ökologie und Schutz von Fledermäusen im Wäldern. Teil 1. Schriftenreihe für Landschaftspflege und Naturschutz 66. 374 pp.
Meschede, A. (2012): Ergebnisse des bundesweiten Monitorings zum Großen Mausohr (Myotis myotis): Analysen zum Bestandstrend der Wochenstuben. BfN-Scripten 325. 71 pp.
Meschede, A. (2012): Bundesweites Monitoring zum Großen Mausohr (Myotis myotis): Datenbestand und Analyseansätze. In: Fledermäuse zwischen Kultur und Natur: Beiträge der 10. Fachtagung der Bundesarbeitsgruppe (BAG) Fledermausschutz im NABU/LBV vom 1.-3. April 2011 in Benediktbeuern zum Jahr der Fledermaus 2011/2012. Naturschutz und Biologische Vielfalt 128. BfN-Schriftenvertrieb im Landwirtschaftsverlag, Münster: 47-62.
Petersen, B.; Ellwanger, G.; Bless, R.; Boye, P.; Schröder, E.; Ssymank, A. (Bearb.) (2004): Das europäische Schutzgebietssystem Natura 2000. Ökologie und Verbreitung von Arten der FFH-Richtlinie in Deutschland. Bd.2: Wirbeltiere. Schriftenreihe für Landschaftspflege und Naturschutz 69/2. Bundesamt für Naturschutz, Bonn (Hrsg.): 503-511.
Sächsisches Landesamt für Umwelt und Geologie (Hrsg.) (2006): Großes Mausohr. Arten der Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Richtlinie. Dresden. Faltblatt.
Steck, C. E.; Güttinger, R. (2006): Heute wie vor hundert Jahren: Laufkäfer sind die Hauptbeute des Großen Mausohrs (Myotis myotis). Schweizerische Zeitschrift für Forstwesen 157(8): 339-347.
Schwaab, F. (1997): Portraits der Fledermäuse. Science et nature. Paris & Bruxelles. Sonderheft 11: 26-31.
Uhl, G. (2003): Wieviel Störungen durch Bauarbeiten tolerieren Mausohren (Myotis myotis) in der Wochenstube. Nyctalus. Neue Folge 8(5): 496-500.
Wissing, H. (2009): Bisher unbekannte Quartiere des Großen Mausohrs - Myotis myotis (BORKHAUSEN, 1797) - in der Pfalz (Mammalia: Chiroptera). Fauna und Flora in Rheinland-Pfalz 11(3): 1067-1070.