1323 - Bechsteinfledermaus (Myotis bechsteinii) | FFH-Arten in RLP

Steckbrief zur Art 1323 der FFH-Richtlinie

Bechsteinfledermaus (Myotis bechsteinii)

Gruppe:

Säugetiere

Merkmale:

Die Bechsteinfledermaus ist eine mittelgroße Fledermausart mit einer Länge von 4,5 - 5,5 cm und einem Gewicht von 7 - 12 Gramm. Das Rückenfell der erwachsenen Tiere ist braun bis rötlich, ihr Bauchfell ist hellgrau. Jungtiere sind einfarbig hellgrau. Charakteristisch sind die langen, breiten, etwa 2,3 - 2,6 cm großen Ohren. Die Bechsteinfledermaus kann Flügelspannweiten bis zu 29 cm erreichen.

Lebensraum:

Im Sommer lebt die Bechsteinfledermaus vorzugsweise in feuchten, alten, strukturreichen Laub- und Mischwäldern. Sie kommt aber auch in Kiefernwäldern oder in (waldnah gelegenen) Obstwiesen, Parks und Gärten mit entsprechendem Baumbestand vor. Sie gilt als die in Europa am stärksten an Waldlebensräume gebundene Fledermausart. Kolonien der Bechsteinfledermaus (mit ca. 20 Individuen) benötigen zusammenhängende Waldkomplexe in einer Mindestgröße von 250 - 300 ha als Jagdhabitat.

Die günstigsten Jagdbiotope liegen in Bereichen mit hoher Nahrungsdichte, beispielsweise entlang von Waldbächen. Ungeeignete Jagdbiotope sind Fichtenaufforstungen oder Dickungen.

Hohle Bäume, Bäume mit Stammrissen sowie Faul- oder Spechthöhlen dienen der Bechsteinfledermaus als Quartier, vereinzelt akzeptiert sie auch den Raum hinter der abgeplatzten Borke von Bäumen. Gerne besiedelt sie Vogel- oder spezielle Fledermauskästen.

Den Winter verbringt sie in unterirdischen Anlagen wie Höhlen und Stollen in Steinbrüchen oder stillgelegten Bergwerken und in Kellern, möglicherweise auch in hohlen Bäumen. Die Winterschlafplätze können bis zu 40 km von den Sommerquartieren entfernt liegen.

Biologie und Ökologie:

Der Winterschlaf beginnt im Oktober/November und endet im März/April. Bechsteinfledermäuse überwintern meist einzeln, entweder in Spalten versteckt oder frei an Decken oder Wänden hängend bei Temperaturen zwischen 3° und 7°C.
 
Nach der Winterpause versammeln sich die Weibchen zur Jungenaufzucht und bilden so genannte Wochenstuben. Diese liegen in sonnenbeschienen, gut erwärmten Baumhöhlen. Häufig liegen in einem Wald mehrere Wochenstuben eng beieinander und bilden einen Wochenstubenverband. Zwischen Mitte Juni und Mitte Juli bringt die Bechsteinfledermaus ein einziges Jungtier zur Welt. Alle zwei bis drei Tage werden die Quartiere gewechselt.

Die Bechsteinfledermaus jagt direkt über dem Boden bis in den Kronenraum hinein nach Nachtfaltern, Käfern, Weberknechten und Mücken, die sie auch direkt von Blättern, Zweigen und der Borke abliest. Ihr Flug ist wendig und schmetterlingshaft. Die Aktionsräume benachbarter Kolonien sind räumlich streng voneinander getrennt.

Bechsteinfledermäuse können bis zu 21 Jahre alt werden.

Verbreitung in Rheinland-Pfalz:

Die Bechsteinfledermaus ist überall, jedoch meist selten, in Rheinland-Pfalz verbreitet. In Eifel und Hunsrück scheint sie häufiger vorzukommen. Hier sind mehrere Wochenstuben-Kolonien bekannt. Mit über 130 bekannten Nachweisen ist sie die zweithäufigste der in Anhang II der FFH-Richtlinie aufgeführten Fledermausarten in Rheinland-Pfalz.

Rheinland-Pfalz liegt im Zentrum des mitteleuropäischen Verbreitungsschwerpunktes dieser Art.

Vorkommen in FFH-Gebieten:

5113-302 - Giebelwald
5212-302 - Sieg
5212-303 - Nistertal und Kroppacher Schweiz
5310-302 - Asbacher Grubenfeld
5408-302 - Ahrtal
5410-301 - Wälder zwischen Linz und Neuwied
5410-302 - Felsentäler der Wied
5413-301 - Westerwälder Kuppenland
5509-301 - NSG Laacher See
5509-302 - Vulkankuppen am Brohlbachtal
5511-302 - Brexbach- und Saynbachtal
5512-301 - Montabaurer Höhe
5609-301 - Unterirdische stillgelegte Basaltgruben Mayen und Niedermendig
5610-301 - Nettetal
5613-301 - Lahnhänge
5705-301 - Duppacher Rücken
5706-303 - Gerolsteiner Kalkeifel
5711-301 - Rheinhänge zwischen Lahnstein und Kaub
5714-303 - Taunuswälder bei Mudershausen
5805-302 - Birresborner Eishöhlen und Vulkan Kalem
5809-301 - Moselhänge und Nebentäler der unteren Mosel
5813-302 - Zorner Kopf
5905-301 - Kyllberg und Steinborner Wald
5905-302 - Wälder bei Kyllburg
5908-302 - Kondelwald und Nebentäler der Mosel
5909-301 - Altlayer Bachtal
5911-301 - NSG Struth
5912-304 - Gebiet bei Bacharach-Steeg
6003-301 - Ourtal
6004-301 - Ferschweiler Plateau
6008-301 - Kautenbachtal
6008-302 - Tiefenbachtal
6009-301 - Ahringsbachtal
6011-301 - Soonwald
6012-301 - Binger Wald
6015-302 - Ober-Olmer Wald
6105-302 - Kyllhänge zwischen Auw und Daufenbach
6107-301 - Frohnbachtal bei Hirzlei
6108-301 - Dhronhänge
6109-303 - Idarwald
6205-301 - Sauertal und Seitentäler
6205-302 - Obere Mosel bei Oberbillig
6205-303 - Mattheiser Wald
6206-301 - Fellerbachtal
6212-302 - Moschellandsberg bei Obermoschel
6212-303 - Nahetal zwischen Simmertal und Bad Kreuznach
6305-301 - Wiltinger Wald
6305-302 - Nitteler Fels und Nitteler Wald
6306-301 - Ruwer und Seitentäler
6309-301 - Obere Nahe
6313-301 - Donnersberg
6404-305 - Kalkwälder bei Palzem
6405-303 - Serriger Bachtal und Leuk und Saar
6411-301 - Kalkbergwerke bei Bosenbach
6414-302 - Göllheimer Wald
6616-301 - Speyerer Wald und Haßlocher Wald und Schifferstädter Wiesen
6616-304 - Rheinniederung Speyer-Ludwigshafen
6710-301 - Zweibrücker Land
6715-301 - Modenbachniederung
6715-302 - Bellheimer Wald mit Queichtal
6716-301 - Rheinniederung Germersheim-Speyer
6812-301 - Biosphärenreservat Pfälzerwald
6816-301 - Hördter Rheinaue
6914-301 - Bienwaldschwemmfächer

Gefährdungen:

Wegen ihrer ausgeprägten Standorttreue ist die Bechsteinfledermaus besonders gefährdet durch Veränderungen ihres Lebensraums unter anderem durch waldbauliche Maßnahmen.

Niedrige Flughöhen bei der Nahrungssuche machen sie besonders anfällig gegenüber Kollisionen mit Kraftfahrzeugen.

Schutzmaßnahmen:

Die Verfügbarkeit struktur- und nahrungsreicher Biotope mit einem großen Angebot an Baumhöhlen (Totholz) unterschiedlicher Sonnenexposition sind wesentliche Voraussetzungen, die ein Lebensraum der Bechsteinfledermaus erfüllen muss. Eine ökologisch-nachhaltige Forstwirtschaft kann hierzu beitragen.

Beim Neubau oder Ausbau von Straßen sollte ein Abstand von 3 km um bekannte Quartiere und Wochenstuben eingehalten werden.

Literatur:

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Hillen, J. (2013): Bechsteinfledermäuse im "Wawerner Bruch": wie anpassungsfähig sind Waldfledermäuse? In: Dietz, M. (Hrsg.): Populationsökologie und Habitatansprüche der Bechsteinfledermaus Myotis bechsteinii: Beiträge der Fachtagung in der Trinkkuranlage Bad Nauheim, 25.-26. Februar 2011: 257-266.


Kerth, G. (1998): Sozialverhalten und genetische Populationsstruktur bei der Bechsteinfledermaus Myotis bechsteini. Berlin. 130 pp.

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Stand: 19.01.2015