Steckbrief zur Art 1145 der FFH-Richtlinie
Schlammpeitzger (Misgurnus fossilis)
Gruppe:
Fische und Rundmäuler
Merkmale:
Der Schlammpeitzger ist ein bodenlebender und nur wenig mobiler Fisch aus der Familie der Dornschmerlen. Sein schlangenartiger, in der Schwanzregion seitlich abgeflachter Körper erreicht eine Länge von 15 bis 30 Zentimetern. Die Schwanzflosse ist abgerundet. Den bräunlich-orangefarbenen Körper zieren seitlich dunkle und helle Längsbinden. Die Haut ist schleimig mit sehr kleinen Rundschuppen. Am unterständigen Maul sitzen 10 Barteln.
Schlammpeitzger-Larven besitzen Außenkiemen wie die Larven von Molchen und Salamandern.
Lebensraum:
Als typischer Bodenbewohner besiedelt der Schlammpeitzger flache, warme, nährstoffreiche, sowohl stehende als auch schwach fließende Gewässer der tieferen Lagen. Er bevorzugt sehr strömungsarme Standorte mit einer lockeren Schlammauflage von 0,5-1 Meter Mächtigkeit und reichem Bewuchs mit Wasserpflanzen, welche Schutz und Nahrung bieten. Oft handelt es sich bei solch sumpfigen Gewässern um Gräben (Sekundärbiotope). Im Oberrheingebiet stellen insbesondere wasserpflanzenreiche Altrheine und zufließende, verkrautete Gewässer/Gräben mit weichem Substrat günstige Habitate dar.
Die Tiere sind weitgehend unempfindlich gegenüber Gewässerbelastungen und kommen mitunter auch in stark verschmutzten Gewässern vor.
Biologie und Ökologie:
Schlammpeitzger sind ausgesprochen nachtaktiv. Sie ernähren sich von einer Vielzahl wirbelloser Tiere wie Würmern, Insektenlarven, Kleinkrebsen, Muscheln und Schnecken. Die 10 Barteln erleichtern das Auffinden der Nahrung am Boden. Tagsüber vergraben sich die Fische meist im Schlamm, bei abnehmender Wassertiefe und im Winter bis zu 70 Zentimeter tief.
Eine besondere Fähigkeit ermöglicht es dem Tier, Sauerstoffmangel und längere Hitze- oder Trockenperioden unbeschadet zu überstehen, nämlich die so genannte akzessorische Darmatmung. Dabei schluckt der Schlammpeitzger an der Wasseroberfläche atmosphärische Luft und resorbiert deren Sauerstoff über seine stark durchblutete Darmschleimhaut. Die aufgenommene Luft, die über den Darm wieder abgegeben wird, erzeugt ein quietschendes Geräusch, was dem Tier den Spitznamen „Quietsch-Aal“ einbrachte. Dies geschieht auch, wenn sich ein Gewitter ankündigt. Dann wird der „Gewitterfurzer“ unruhig und erscheint an der Gewässeroberfläche. Daher auch sein weiterer Name „Wetterfisch“.
Über die Vermehrungsstrategie des Schlammpeitzgers ist wenig bekannt. Zwischen April und Juni werden die klebrigen Eier über mehrere Wochen hinweg nachts portionsweise teils an Wasserpflanzen geheftet, teils liegen sie frei auf dem Gewässergrund. Ein Weibchen produziert zwischen 12.600 und 170.000 Eiern. In Abhängigkeit von der Außentemperatur dauert die Eientwicklung durchschnittlich etwa 9 Tage. Die frisch geschlüpften Larven besitzen als Anpassung an sauerstoffarme Lebensräume gut durchblutete Außenkiemen, die sich nach 8-12 Tagen zurückbilden. Mit 2 Jahren werden die Tiere geschlechtsreif.
Verbreitung in Rheinland-Pfalz:
In Deutschland ist der Schlammpeitzger besonders im Tiefland verbreitet. In Rheinland-Pfalz dürfte er früher vor allem auch in den Altrheinarmen vorgekommen sein. Aktuell sind lediglich Reliktvorkommen aus der Südpfalz in den Grabensystemen der Oberrheinischen Tiefebene nachgewiesen. Nach Bestandsaufnahmen in den Jahren 1997 sowie 2007 wird er als vom Aussterben bedroht beurteilt.
Vorkommen in FFH-Gebieten:
Gefährdungen:
Hauptursache der Gefährdung des Schlammpeitzgers liegt im Mangel an geeigneten Lebensräumen. Die geringe Anzahl der Funde im Oberrheingebiet, wo die Art wegen der Vielzahl an Gräben und temporären Stillgewässern an sich günstige Lebensbedingungen vorfinden sollte, weist auf erhebliche Veränderungen und Belastungen der Lebensräume hin.
Trotz vieler Überlebensstrategien ist die Art heute in ihrer Bestandsentwicklung stark rückläufig. Durch Entwässerungs- und Meliorationsmaßnahmen wurden viele geeignete Wohngewässer in landwirtschaftlich intensiv genutzte Flächen umgewandelt. Die Trockenlegung und die Verlandung von Sümpfen und Rhein-Altarmen bedeutet Lebensraumverlust.
Entwässerungsgräben sind potenzielle Ersatzlebensräume, allerdings unterliegen sie in erheblichem Umfang Ausbau- und Unterhaltungsmaßnahmen. Dabei sind wegen der versteckten Lebensweise des Schlammpeitzgers Schädigungen vor allem durch Grundräumungen und Entkrautungen mit maschinellen Grabenfräsen gegeben, denn sie fräsen auch die im Schlamm eingegrabenen Fische mit aus. Auch Steinschüttungen der Ufer, die dann später die gesamte Gewässersohle bedecken, beeinträchtigen den Altfischbestand. Häufig ist die Art bei Fischbestandsuntersuchungen in solchen Gräben gefunden worden, die weniger „ordentlich“ unterhalten werden oder die noch auf traditionelle Weise von Hand entkrautet werden.
Auch Pflanzenschutzmittel und Schwermetalle können die Art schädigen.
Schutzmaßnahmen:
Um den Schlammpeitzger zu erhalten, müssen vorrangig seine Lebensräume und noch vorhandene Vorkommen in Schutzgebieten gesichert werden.
Maschinelle Grabenräumungen mit der Grabenfräse in aktuellen und potenziellen Lebensräumen dieses Fisches müssen unterbleiben. Eine Grabenreinigung sollte nur durchgeführt werden, wenn dies unumgänglich ist, dann aber nur schonend und abschnittsweise mittels Korbbagger. Tiere, die sich möglicherweise im Aushub finden lassen, sind wieder ins Gewässer zurück zu setzen.
Eine Mahd der Gewässervegetation sollte im Idealfall unterbleiben, ansonsten nicht vor Ende September erfolgen und nur in Teilbereichen des Gewässers stattfinden. Unterwasserpflanzen sollten nur oberhalb des Sedimentes entfernt werden.
Vorkommen beziehungsweise pflanzenreiche Gräben sollten durch breite ungenutzte Uferrandstreifen gegenüber Abdrift und Eintrag von Agrochemikalien abgesichert werden.
Links:
http://hessen.nabu.de/artenschutz/ffharten/fische/02460.html
www.naturfoto-cz.de/misgurnus-fossilis:misgurnus-fossilis-photo-2013.html
www.hlasek.com/misgurnus_fossilis_ag4209.html
www.fischartenatlas.de/cms/index.php
www.hessen-forst.de/download.php
www.luwg.rlp.de/Aufgaben/Naturschutz/Arten-und-Biotopschutz/
Literatur:
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