1074 - Heckenwollafter (Eriogaster catax) | FFH-Arten in RLP

Steckbrief zur Art 1074 der FFH-Richtlinie

Heckenwollafter (Eriogaster catax)

Gruppe:

Schmetterlinge

Merkmale:

Männchen und Weibchen des zur Nachtfalterfamilie der Glucken gehörenden Heckenwollafters sind farblich unterschiedlich getönt, die Männchen hell goldbraun, die Weibchen dunkler rötlichbraun. Charakteristisch ist der auf den Vorderflügeln sichtbare weiße Fleck, der beim Männchen braun umrandet ist. Die Flügelspannweite erreicht beim Männchen 3,5 Zentimeter, beim Weibchen 4,5 Zentimeter. Körper und Beine der Tiere sind stark behaart.

Die farbenfrohen Raupen tragen eine Vielzahl blauer, gelber und rotbrauner Flecken auf schwarzem Grund und lange, spitz zusammenlaufende Haarbüschel.

Lebensraum:

Die Lebensräume des Heckenwollafters, auch die ehemaligen, liegen in den klimatisch begünstigten Räumen Deutschlands. Lebensräume müssen stets sonnenexponiert, warm, windgeschützt und offen sein und zugleich eine hohe Luftfeuchtigkeit aufweisen.

Unter Erfüllung all dieser Voraussetzungen bieten speziell Lagen mit Schlehen-Weißdorngebüschen, gehölzreiche Säume und sehr lichte, strukturreiche Mittel- und Niederwälder, meist im Verbund mit Halbtrockenrasen und Trockenrasen, optimale Lebensbedingungen. Geeignete Waldstrukturen entstanden früher überwiegend durch Waldweide.

Die rheinland-pfälzische Eriogaster-Population besiedelt ein Schlehengebüsch auf flachgründigem Boden an einer warmen Talflanke im Nahetal.

Biologie und Ökologie:

Das Weibchen des Wollafters legt im Herbst um die 300 Eier an den Ästen von niedrigen Schlehengebüschen, bevorzugt in der Nähe einer Astgabel, in großen Gelegen ab und bedeckt sie anschließend mit Haaren des Hinterleibs, der sogenannten Afterwolle. Die auf diese Weise gut geschützten Eier überwintern.

Wenn sich die Blattknospen der Schlehen öffnen, schlüpfen im April/Mai die Raupen. Die jungen Raupen stellen sofort gemeinsam ein auffälliges Gespinst her, in dem sie die Nächte, Schlechtwetterphasen und Fresspausen verbringen. Diese „Wohngemeinschaft“ bietet Schutz vor Parasitierung und günstige Klimaverhältnisse bei Schlechtwetterperioden. In einem Gespinst herrschen höhere Temperaturen als in der Umgebung. Bei heißen Temperaturen bietet es Schutz vor Feuchtigkeitsverlust.

Die jungen Raupen fressen ausschließlich frisch ausgetriebene Blätter der Schlehe (Prunus spinosa). Dabei führen sie einen fortwährenden Kahlfraß durch, der die Schlehe zu einem permanenten Austreiben von jungen und zarten Schlehenblättern zwingt. Eine nachhaltige Schädigung der Pflanze erfolgt aber nicht.

Im Mai verlassen die Raupen die gemeinsamen Gespinste. Im letzten Larvenstadium leben sie solitär. In dieser Zeit fressen sie nicht nur an der Schlehe, sondern auch an einer Vielzahl anderer Gehölze. Nach einem sehr schnellen Wachstum der Raupen erfolgt im Mai/Juni die unterirdische Verpuppung, um die heiße und trockene Jahreszeit zu überdauern. Erst im September/Oktober, wenn wieder vergleichbare Temperaturen und Luftfeuchtigkeiten wie im Frühjahr herrschen, schlüpfen etwa 80% der Falter. Ein geringerer Teil der Puppen überwintert.

Die erwachsenen Tiere sind nacht- und dämmerungsaktiv. Ihre Lebensdauer ist mit höchstens 2 Wochen kurz. Die Männchen sterben kurz nach der Paarung, die Weibchen direkt nach der Eiablage. Die Falter besitzen keinen Saugrüssel und können keine Nahrung aufnehmen.

Eriogaster catax ist eine ortstreue Art mit einem nur geringen Aktionsradius.

Verbreitung in Rheinland-Pfalz:

Der Heckenwollafter kommt in Europa zerstreut in stark isolierten und kleinen Populationen vor. In großen Teilen Europas ist die Art bereits ausgestorben, in Rheinland-Pfalz, Bayern und Thüringen, wo Eriogaster catax in Deutschland aktuell noch vorkommt, gilt sie als vom Aussterben bedroht.

Der einzige aktuelle rheinland-pfälzische Bestand des Heckenwollafters konzentriert sich auf einen kleinen Bereich im Nahetal. Die ehemaligen Vorkommen im Oberrheingraben sowie an Mittelrhein und Mosel sind seit Jahrzehnten erloschen.

Vorkommen in FFH-Gebieten:

6309-301 - Obere Nahe

Gefährdungen:

Wesentliche Ursache für den Bestandsrückgang des Heckenwollafters ist die Veränderung des Mikroklimas als Folge zunehmender Verbuschung in Schlehen-Heckenlandschaften und Aufgabe von Waldbewirtschaftungsformen wie Mittel- und Niederwaldwirtschaft, die zur Ausbildung von sehr lichten Wäldern mit reicher Kraut- und Strauchschicht führten.

Grundwasserabsenkungen, Insektizidausbringung, Aufforstungen mit Folge von Beschattung wie auch die Entfernung von Gehölzen und Hecken tragen zum Verlust geeigneter Lebensräume bei. Dies, verbunden mit der Isolation und der geringen Anzahl der Heckenwollafter-Populationen sowie deren geringem Ausbreitungspotenzial kann zum Aussterben der Art führen.

Bebauung und der Neubau von Gewerbeflächen gefährden das einzige rheinland-pfälzische Vorkommen.

Schutzmaßnahmen:

Höchste Priorität hat die Sicherung der noch verbliebenen Restvorkommen durch den Schutz ihrer Lebensräume. Dazu sollten in Vorkommensgebieten

- geeignete Bewirtschaftungsformen wie Mittel- und Niederwaldbewirtschaftung erhalten werden,
-  Heckenlandschaften erhalten bleiben, 
-  die wenigen geeigneten Habitate nicht bebaut und versiegelt werden und
-  auf Insektizide sollte verzichtet werden.

Im Bereich des Nahetals sollte ein ausreichendes Angebots an Habitaten in den unteren Hangbereichen entlang der Nahe und in den Naheseitentälern erhalten und gegebenenfalls entwickelt werden, welche die erforderlichen mikroklimatischen Ansprüche des Heckenwollafters erfüllen.

Ob eine Wiederansiedlung an geeigneten Stellen hilfreich wäre, müsste geprüft werden.

Literatur:

Bolz, R. (1998): Zur Biologie und Ökologie des Heckenwollafters Eriogaster catax (LINNAEUS, 1758) in Bayern (Lepidoptera: Lasiocampidae). Nachr. entomol. Ver. Apollo N.F. 18(4): 331- 340.

Bolz, R. (2001): Hecken-Wollafter (Eriogaster catax). In: Fartmann, T.; Gunnemann, H.; Salm, P.; Schröder, E.: Berichtspflichten in Natura 2000-Gebieten. Angewandte Landschaftsökologie 42: 358-362.

Ebert, G. (Hrsg.) (1994): Die Schmetterlinge Baden-Württembergs. Bd. 4. Nachtfalter II. Eugen Ulmer Stuttgart: 28-31.

Föhst, P. (1990): Eriogaster catax LINNAEUS 1758, eine bisher im Rheinland als ausgestorben angesehene Art wiedergefunden. Pollichia-Kurier 6(1): 36.

Freina, J.J. de (1996): Eriogaster catax (Linnaeus, 1758). In: Helsdingen, P. J. van; Willemse, L.; Speight, M.C. (Ed.): Background information on invertebrates of the Habitats Directive and the Bern Convention. Part. I: Crustacea, Coleoptera and Lepidoptera. Nature and environment 79: 117 -120.

Kinkler, H. (1998): Bemerkenswerte Falterfunde und Beobachtungen im Arbeitsgebiet der Arbeitsgemeinschaft rheinisch-westfälischer Lepidopterologen e. V. Melanargia 10(4): 150-156.

Paulus, G.; Widder, C. (2012): Hecken-Wollafter, Eriogaster catax (LINNAEUS, 1758) - neue Nachweise in Baden-Württemberg (Lepidoptera, Lasiocampidae). Carolinea 70: 87-90.

Petersen, B.; Ellwanger, G.; Biewald, G.; Hauke, U.; Ludwig, G.; Pretscher, P.; Schröder, E.; Ssymank, A. (Bearb.) (2003): Das europäische Schutzgebietssystem Natura 2000. Ökologie und Verbreitung von Arten der FFH-Richtlinie in Deutschland. Bd.1: Pflanzen und Wirbellose. Schriftenreihe für Landschaftspflege und Naturschutz 69/1. Bundesamt für Naturschutz, Bonn (Hrsg.): 459-464.

Pretscher, P.; Kleifges, P. (2000): Die Schmetterlingsdatenbank LEPIDAT des Bundesamtes für Naturschutz (BfN): Grundlage für die Erstellung der Roten Liste gefährdeter Großschmetterlinge Deutschlands. Schriftenreihe Landschaftspflege Naturschutz 65: 51-70.

Stand: 28.10.2014